Kröte

Down? Up!

„Ihr lacht über mich, weil ich anders bin. Ich lache über euch, weil ihr alle gleich seid!“ Kurt Cobain

Ich habe das Bedürfnis, etwas zu sagen von dem ich hoffe, ihr empfindet es nicht als Schwafelei. Bevor wir letztes Jahr die Diagnose Down Syndrom bekamen, hatte ich nur am Rande eine Idee was es überhaupt bedeutet. Ich hatte schlimme Bilder im Kopf, Klischees, die nur in ganz seltenen Fällen zutreffen. Früher wurden Menschen mit Behinderungen meistens versteckt. Zu Hause, wenn sie Glück hatten. In Heimen, wenn sie Pech hatten. Ein Leben lang im (mitwachsenden) Gitterbett. Ohne Nähe, Vertrauen, Bindung, Liebe. Wie soll ein Mensch, ein Baby, da sein Potenzial entfalten oder wenigstens glücklich sein? Wenn nicht mal die Grundbedürfnisse erfüllt werden? Mich macht das so traurig. Selbst Einstein hätte unter diesen Umständen nicht die Relativitätstheorie oder irgendwas entdeckt. Er hätte mutlos, mit hängenden Schultern und leerem Blick seine (kurze) Lebenszeit abgesessen.

Zu diesen hässlichen Bildern kommt noch der Name: Down Syndrom. Da bekommt man automatisch ein schlechtes Bild. Down sein, wer will das schon? Down steht für Antriebslosigkeit, ohne Neugier und Interesse für sein Umfeld zu sein. Krank zu sein. Down Syndrom ist keine Krankheit. Es ist eine Chromosomen-Besonderheit. Wäre es eine Krankheit, könnte man es vielleicht schon jetzt oder in Zukunft ändern. Normalisieren. Heilen. Es gibt auch nicht das Down Syndrom, jeder Mensch ist anders. Es ist auch kein Defekt! Mein Kind ist nicht kaputt. Es ist auch nichts falsch an ihm.  John Langdon-Down beschrieb 1866 erstmals unter wissenschaftlich orientierten Gesichtspunkten das Down Syndrom und grenzte es von anderen damals bekannten Behinderungsformen ab. Daher der Name. Hätte dieser Mann mit Nachnamen Up geheißen, wäre das Gefühl doch gleich ein anderes. Und zur Kröte passt ein UP so viel besser als dieses Down! Ach, wenn ich an ihn denke, sein quietschendes Lachen, die leuchtenden Augen… mein Herz… und so… na, ihr wisst schon.

Wir sind nicht die große Ausnahme. Ich habe so viele Leute kennen gelernt, so viele Kinder mit Down Syndrom. Alle sind so herzliche, fröhliche, lebenslustige Menschen. Sowohl die Eltern als auch die Kids. Manchmal steckten traurige Schicksale hinter diesen Menschen, lange Krankengeschichten. Aber sie alle haben ein Lächeln im Gesicht.Wir wurden mit offenen Armen empfangen und es gab keine Fragen, die ich nicht stellen durfte. Wohl auch ein Klischee. Aber mit wahrem Kern. Natürlich wird nicht nur mit einem Dauergrinsen gelebt. Aber – ich gehe mal von mir aus – durch den Weg, den man geht / gehen musste, bekommt man ein anderes Weltbild. Meins war erst in tausend Splitter zersprungen, dann setzte es sich langsam wieder zusammen. Mir fiel auf, es sah jetzt anders aus, war aber mindestens genauso schön. Und das machte mich froh, dankbar und zaubert ein Lächeln in mein Gesicht.

Ja, es dauert bei einigen Menschen mit Trisomie 21 lange bis sie etwas Neues lernen. Es gibt große Unterschiede. Am Ende können aber fast alle Kinder fast alles. Und das zählt.

Heute machen Menschen mit Down Syndrom eine Ausbildung, einige gehen studieren, unterrichten an Universitäten, sind Profi-Tänzer, Model oder Schauspieler…

Ich erlebe jetzt, wie schön das Leben mit einem Kind mit Trisomie 21 ist: es ist unendlich schön. Und selbstverständlich ist es genauso anstrengend wie das Leben mit anderen Kindern auch. Deren Entwicklung kann man auch nicht vorhersehen. Ich genieße das Leben mit unserer fröhlichen Kröte sehr.

Ich fasse zusammen:

Die Menschen mit Down Syndrom, die ich persönlich kennen lernen durfte sind: voller freudiger Gelassenheit, Neugier und Entdeckermut. Wenn das von diesem Extra-Dings kommt, hätte ich auch gerne ein Stück davon.

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2 Gedanken zu „Down? Up!“

  1. Ich muss gestehen, mir war gar nicht bewusst, dass die Bezeichnung „Down Syndrome“ durch den „Entdecker“ beeinflusst ist. Vielleicht wirklich nicht die beste Wortwahl…

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  2. *schmunzel* Wir haben auch so einen Extra-Strahlemann zu Hause … und seit den ersten Tagen nach der „Diagnose“ sagen wir Up-Syndrom.
    Ja, der Schock musste erstmal verdaut werden, aber auch dabei hat die Bezeichnung Up-Syndrom uns geholfen.

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